Mottinger's Meinung

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Warum dein Videospiel Backlog dich heimlich fertig macht

Ich gesteh’s ganz offen. Yapp, euer Mottinger ist hier leider keine Ausnahme. Ich hab seit Monaten kein Spiel mehr wirklich fertiggespielt. Und ja, ich hab trotzdem hunderte Stunden gezockt. Aber das mit dem Durchspielen? Fehlanzeige. Und ich bin mir ziemlich sicher, ich bin da nicht allein.

Es ist irgendwie schon wie ein Ritual geworden. Ich starte meine PS5, schau auf den Startbildschirm, seh da Control, Resident Evil 3, vielleicht auch noch Yakuza oder irgendein Indie-Ding, das ich mal im Sale mitgenommen hab. Und dann kommt dieses Gefühl, dieses fiese kleine „Ach, vielleicht doch was anderes“. Eine halbe Stunde später sitz ich immer noch da, hab kein Spiel gestartet, aber dafür 15 YouTube-Videos über „Top 10 underrated PS+ Extra Games“ geschaut. Bravo.

Wir sind Generation Gaming-Überfluss. Früher hattest halt ein Spiel. Vielleicht zwei, wenn du Glück gehabt hast und deine Oma dir zu Weihnachten einen Gutschein vom GameStop gekauft hat. Du hast das Ding gezockt bis das Cover abgegriffen war. Heute? Heute haben wir eine digitale Bibliothek, die mehr Optionen hat als eine Cocktailkarte in einer hippen Bar in Berlin. Nur dass du da wenigstens was trinkst. Bei uns endet’s meistens mit „Nix gespielt, aber wenigstens hab ich den Speicherplatz optimiert.“

Ich mein, schauen wir uns die Zahlen an: Auf Steam kamen 2023 über 15.000 Spiele raus. 15.000! Meine Fresse, Wow! Und der durchschnittliche User hat vier davon gespielt. Vier! Lasst euch das mal auf der Zunge zergehen. Das ist wie wenn du 500 Filme auf Netflix hättest, aber seit sechs Monaten nur „Brooklyn Nine-Nine“ durchbingest, zum vierten Mal. Guilty.

Und ja, ich kenn das Argument: „Aber das Spiel war im Angebot! 80 Prozent reduziert!“ Eh klar. Ich hab auch so gekauft. Hab ganze Franchises im Sale abgestaubt. Und was passiert? Ich start Dragon Age: Inquisition, seh die erste Cutscene, schau kurz ins Inventar, realisier, dass ich null Ahnung mehr hab, wie das Kampfsystem funktioniert und zack, zurück ins Menü.

Das Problem ist nicht die Qualität der Spiele. Im Gegenteil. Die sind besser als je zuvor. Aber genau das macht’s so schwer. Weil jedes Spiel schreit: „Spiel MICH, ich bin der Sh*t!“ Und du denkst dir: „Okay… aber was, wenn das nächste noch geiler ist?“ Und schwupps, du bist wieder im Menü gefangen wie Frodo im Nebel von Mordor.

Was auch nicht hilft: der ständige Strom an neuen Games, PS+ Extra, Game Pass, Epic Freebies, du kriegst Spiele hinterhergeschmissen wie Flyer vor’m Donauinselfest. Das ist keine Sammlung mehr, das ist ein verdammter digitaler Flohmarkt. Und statt zu spielen, scrollen wir durch wie durch Tinder: links, rechts, nope, vielleicht später. Vielleicht nie.

Das krasseste? 90 Prozent der Spieler beenden Spiele gar nicht. Neunzig! Du kannst das selbst checken. Öffne irgendein Spiel, schau dir das letzte Story-Trophy an. Die, wo steht “Spiel abgeschlossen”. Und dann siehst du: 27 Prozent. Oder 12. Oder 3. Ich mein… was machen wir eigentlich mit unserer Zeit?

Ich sag’s dir: wir schauen anderen beim Zocken zu. Twitch, YouTube, Let’s Plays. Ist auch bequemer. Da musst nix installieren, kein Tutorial durchstehen, keine nervigen Savepoints. Einfach zuschauen und sagen: „Boah, schaut cool aus. Vielleicht spiel ich’s auch mal.“ (Spoiler: tust du nicht.)

Aber weißt was? Ich fang langsam an, das Ganze ein bissl anders zu sehen. Vielleicht ist das gar keine Schwäche. Vielleicht ist das ein Zeichen, dass wir zu viele Optionen haben. So wie in diesem Marmeladen-Experiment, wo die Leute mit weniger Auswahl viel eher zugeschlagen haben. Weniger ist mehr. Auch bei Games.

Drum fang ich jetzt klein an. Ich pick mir EIN Spiel aus. Eines, das ich eh schon ewig mal fertigzocken wollt. Resident Evil 3 ist grad noch auf PS+ Extra, aber nicht mehr lang. Das ist mein Zeichen. Ich geb mir selbst ein Zeitlimit. Letzte Chance, Bro. Und wenn’s weg ist? Tja, Pech gehabt. Nächste Runde.

Ich hab auch meine Konsole aufgeräumt. Runter mit den ganzen „Spiel ich vielleicht irgendwann“ Titeln. Drauf bleiben nur drei Spiele: eines für Story, eines zum Hirnabschalten, eines für den Multiplayer mit Freunden. That’s it. Kein Menüchaos mehr, kein Rumgeeiere. Ich schalt ein und weiß, worauf ich Lust hab.

Und ja, es gibt Tage, da zock ich gar nicht. Bewusst. Weil ich nicht will, dass Gaming zur Pflicht wird. Es soll wieder Spaß machen. Wie damals. Als wir mit leuchtenden Augen vor dem Fernseher gesessen sind und gedacht haben: „Alter, das ist das geilste Spiel ever.“ Das Gefühl will ich zurück. Nicht 100 angefangene Spiele. Sondern eins, das mich wirklich packt.

Wenn du dich also grad in deiner digitalen Spielehölle verlierst, scrollst wie ein Zombie durch dein Game-Menü und am Ende wieder bei Rocket League landest: Atme durch. Pick ein Spiel. Bleib dabei. Und vergiss nicht, warum wir das alles eigentlich machen.

Nicht für die Trophäen. Nicht für die Watchtime. Sondern für den Moment, wenn du den Controller in der Hand hast, ins Spiel eintauchst und für ein paar Stunden alles andere vergisst.

So. Jetzt geh ich Resident Evil 3 beenden. Oder ich schau noch ein Let’s Play über das Ende. Wer weiß.