Mottinger's Meinung

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Was, wenn Sci-Fi keine Fiktion mehr ist? Children of Men ist (leider) aktueller ist denn je

„Was wär, wenn Kinder plötzlich ausbleiben und niemand mehr fragt warum?“

So beginnt keine neue Netflix-Serie und auch keine verrückte Verschwörungstheorie auf Telegram, sondern eher eine simple Frage, die ich mir gestellt hab, als ich letztens wieder „Children of Men“ geschaut hab. Zum bestimmt schon x-ten Mal. Aber diesmal war’s irgendwie anders. Es hat sich nicht mehr wie Sci-Fi angefühlt. Es hat sich angefühlt wie, naja, ohne jetzt dramatisch klingen zu wollen, aber schon irgendwie wie Nachrichten lesen im Jahr 2025.

Ich weiß, ich weiß. Der Film is alt. 2006. 20 Jahre hat der Film bald auf dem Buckel. Damals war George W. Bush Präsident, und wir haben gedacht, mehr Dystopie geht eh nimmer. Dann kamen Trump, Brexit, die Pandemie, die Klimakrise, neue Kriege und eine Politik, die gefühlt jeden Tag ein bisschen mehr auf Menschlichkeit pfeift. Und plötzlich wirkt diese düstere Vision aus Children of Men gar nicht mehr so weit hergeholt.

Die Ausgangslage? Keine Kinder mehr. Seit fast zwei Jahrzehnten. Die Menschheit langsam am Verrotten. Und mitten drin ein abgefuckter Staat, der Geflüchtete in Käfigen hält und lieber aufrüstet, als sich um sein Volk zu kümmern. Kommt euch das bekannt vor? Yapp, mir nämlich auch.

Ein Beitrag der Liverpool University Press hat das ganz gut auf den Punkt gebracht: Der Film ist wie eine Warnung vor dem Aufstieg des Faschismus und der Entmenschlichung von Geflüchteten. Und wenn man sich anschaut, wie aktuell wieder über „illegale Migration“ diskutiert wird, ob jetzt in den USA, Großbritannien oder sogar bei uns in Österreich. Dann wird einem fast schlecht. Die Szenen im Film, wo Flüchtlinge abgeführt, geschlagen oder einfach ignoriert werden, könnten genauso gut in einem Nachrichtenclip aus Lampedusa, Texas oder Calais vorkommen. Da wird einem wirklich anders.

Dan Dinello, ein Science-Fiction Kritiker (ja, sowas gibt’s wirklich), beschreibt das Ganze als „tyrannische Apartheidpolitik“. Und ehrlich: Das ist keine Übertreibung. Der Umgang mit Menschen, die einfach nur in Sicherheit leben wollen, ist im Film nicht anders als das, was wir in echt erleben. Sei’s die Flüchtlingskrise, der Tonfall der Brexit-Kampagne oder wie in der Pandemie plötzlich Leute als Bedrohung galten, nur weil sie von irgendwo anders herkamen.

Aber Children of Men“geht weiter. Der Film stellt uns alle in Frage. Theo, der Protagonist, war mal Aktivist, dann Zyniker, dann doch, irgendwie ein Held wider Willen. Und genau das macht ihn so greifbar. Weil seien wir mal ehrlich: Wer von uns fühlt sich nicht manchmal überfordert, resigniert oder einfach nur wurschtelnd durch den Tag gehend? Und dann kommt eine Situation, wo man plötzlich merkt: Jetzt muss ich handeln. Jetzt zählt’s.

GradeSaver, eine Bildungsplattform, hebt vor allem die Themen Angst, Opferbereitschaft, Religion und Überlebensinstinkt hervor. Was mich aber mehr beeindruckt, ist diese Balance im Film, zwischen totaler Hoffnungslosigkeit und einem kleinen, hartnäckigen Funken Hoffnung. Und das ist doch eigentlich genau das, was uns irgendwie am Leben hält. Diese Idee, dass es noch Sinn macht, sich für was einzusetzen. Für Menschlichkeit. Für Gerechtigkeit. Für Zukunft.

Die Bilder im Film sind unvergesslich. Diese eine Szene mit der langen Kamerafahrt durch das zerstörte Flüchtlingslager, Babygeschrei im Hintergrund, Soldaten bleiben plötzlich stehen, Gänsehaut. Da passiert was, was Kino selten schafft. Der Moment fühlt sich echter an als die Realität.

Ich glaub, Children of Men funktioniert heute nicht mehr trotz seines Alters, sondern wegen seiner Klarheit. Weil er das benennt, was viele von uns spüren. Dass sich was grundlegend verändert hat. Und dass wir entweder resignieren oder anfangen, was zu tun.

Und ja, auch wenn die Welt manchmal ausschaut wie der Anfang vom Ende: Vielleicht hilft es, sich daran zu erinnern, dass auch kleine Handlungen Bedeutung haben können. So wie Theo, der nix Besonderes ist außer dass er irgendwann gesagt hat: „Nein. So nämlich nicht“.

„Wie würdest du dich entscheiden, wenn die Zukunft der Menschheit von dir abhinge?“

Mit dieser Frage überlässt euch der Mottinger für heute. Danke fürs Lesen!